Hellenismus: Griechische Zivilisation weltweit

Hellenismus: Griechische Zivilisation weltweit
Hellenismus: Griechische Zivilisation weltweit
 
Es war nicht nur Alexander, der die Welt verändert hatte. Wäre es nur seine Genialität gewesen, dann wäre nach seinem unerwarteten Tod alles zusammengebrochen. Das Großreich teilte sich zwar in einzelne Großstaaten, und im Osten bröckelte es ab, aber im Ganzen blieben die Eroberungen nicht nur erhalten, sondern die griechische Zivilisation dehnte sich immer weiter aus. Im Osten wirkte sie nach Indien hinein, und im Westen gräzisierte sich sogar die neue Macht Rom so weit, dass das spätere Römische Reich ohne griechische Elemente nicht zu denken wäre. Immerhin blieb ja auch das gesamte östliche Mittelmeergebiet bis zum Arabersturm griechisch. Auch war die Eroberung nicht aus heiterem Himmel gekommen, und die Faktoren, die hinter dem Alexanderzug gestanden und seinen Erfolg ausgemacht hatten, bewirkten auch die Dauerhaftigkeit der Eroberungen.
 
Das Perserreich hatte schon deutliche Zeichen der Instabilität gezeigt. So versuchte Persien während des Peloponnesischen Krieges nur durch die wechselnde Unterstützung der Kriegsparteien Griechenland politisch schwach zu halten. Symptomatisch war auch, dass der junge Kyros bei seinem Versuch, den Thron zu erringen, in ausschlaggebendem Maße griechische Hilfe in Anspruch nahm, und das immer selbstständiger werdende Schalten und Walten der Satrapen in Kleinasien zeigte auch, wie sehr die zentrifugalen Kräfte zunahmen. Ägypten hatte sich am Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. seine Freiheit zurückgewonnen und wurde erst nach 65 Jahren Selbstständigkeit 343 v. Chr. wieder von Artaxerxes III. Ochos zurückerobert — kein Wunder, dass Alexander bald darauf ohne Schwierigkeiten einmarschieren konnte.
 
Auch sonst drang die griechische Zivilisation schon vor Alexander nach Osten vor — ohne militärische Mittel. Die Auswanderung nahm zu, was sich durch die zunehmende Verbreitung der griechischen Kunst belegen lässt. Ein berühmtes Beispiel ist das Grabmonument, das sich der karische Dynast Mausolos — auch er ein Beispiel für das Erstarken der Lokalgewalten im Perserreich — von griechischen Künstlern errichten ließ, das Mausoleion, aus welchem Wort unser Mausoleum geworden ist. Ein weiteres Beispiel ist die Kunst des kleinasiatischen Lykien im 4. Jahrhundert v. Chr. Es war einfach so, dass alle Beteiligten — die Griechen ohnehin, aber auch die orientalischen Völker — die griechische Zivilisation als die überlegene empfanden. Daher ist die Geschichte des Hellenismus in stärkerem Maße Kulturgeschichte als die der früheren Epochen.
 
Im Hellenismus verbreitete sich die griechische Zivilisation über das gesamte Mittelmeergebiet — von Gibraltar bis zum Indus, vom Don bis zum Nil —, und das Zurücktreten der Poliswelt zugunsten der Flächenstaaten förderte auch auf dem Gebiet der Kultur das Individuum und seine nicht an politische Strukturen gebundene Kreativität. Kunst und Wissenschaft wurden, lateinisch ausgedrückt international, griechisch gesagt kosmopolitisch. Das wussten auch die Herrscher der neuen Monarchien im Orient, und da sie das griechische Element zur Befestigung ihrer Herrschaft brauchten und daher auf die politische und geistige Verankerung in Griechenland angewiesen waren, förderten sie in ihrem Herrschaftsbereich bewusst die griechische Kultur. An Politischem freilich fehlt es nicht.
 
Die Ausgangslage bei Alexanders Tod war rechtlich die, dass er König der Makedonen, Hegemon und alleiniger Feldherr des Korinthischen Bundes und Großkönig des Perserreiches gewesen war. Faktisch hatte seine Stellung auf der Armee, seiner Persönlichkeit und dem Prestige seiner ungeheuren Leistungen beruht. Politische Schwierigkeiten nach seinem Tode gab es infolgedessen drei: Wer sollte die Nachfolge in der Herrschaft über den Orient, die Hegemonie über die griechischen Städte und das makedonische Königtum übernehmen, und wie sollte das geschehen? Die erste Frage erwies sich als völlig unproblematisch, denn obwohl die Makedonen sofort Alexanders Verschmelzungspolitik rückgängig machten — mit Ausnahme des Seleukos verstießen alle Makedonen ihre persischen Frauen, und die einheimischen hohen Beamten wurden abgesetzt —, hat trotzdem kein Asiate in nennenswerter Weise gegen die makedonische Herrschaft gekämpft. In Griechenland brach allerdings sofort nach dem Bekanntwerden von Alexanders Tod ein Unabhängigkeitskrieg aus. Alexanders Statthalter in Europa, der alte Antipater, wurde von den vereinigten Griechen einschließlich der Spartaner in der thessalischen Stadt Lamia belagert, wonach dieser Krieg Lamischer Krieg genannt wird. 322 v. Chr. aber war die makedonische Herrschaft wiederhergestellt.
 
Anders stand es mit der Nachfolge im makedonischen Königtum, denn es war niemand da, der die rechtlichen und faktischen Voraussetzungen erfüllte. Dynastisch legitimiert wären der Halbbruder Alexanders, Philipp III. Arrhidaios, und Alexanders Sohn von Roxane gewesen, aber Philipp war schwachsinnig und das Söhnchen noch nicht geboren. Demgemäß gab es drei Möglichkeiten der weiteren Entwicklung: treuhänderische Verwaltung für Philipp III. oder Alexander IV., gewaltsame Usurpation durch einen Dritten oder die Errichtung von Teilreichen. Alle drei Möglichkeiten wurden durchgespielt, und der historische Verlauf zeigt, dass sie sich zeitlich in dieser Reihenfolge ablösten. Die Zeit nach Alexanders Tod ist also die Zeit der Kämpfe um seine Nachfolge. Zunächst das Ergebnis: Erst etwa seit 279 v. Chr. und dem Sieg des Makedonenkönigs Antigonos II. Gonatas über in Griechenland eingefallene Kelten 277 v. Chr. hatten sich endgültig drei Großreiche als Nachfolgestaaten herausgebildet: Ägypten mit Küsten und Inseln Kleinasiens und der Ägäis unter der Dynastie der Ptolemäer, Abkömmlingen des somatophylax Ptolemaios, der Satrap von Ägypten war; Asien von Kleinasien bis Ostiran unter den Seleukiden, Abkömmlingen von Seleukos I. Nikator, der die Spitamenes-Tochter Apame geheiratet und behalten hatte; Europa mit dem Kernland Makedonien unter den Antigoniden, Abkömmlingen des Antigonos I. Monophthalmos, des »Einäugigen«.
 
Die Idee der Reichseinheit, durch die beiden Könige Philipp III. und Alexander IV. verkörpert, verfocht bis zu seinem Tod in der Schlacht 316 Eumenes, der einzige Grieche unter den Machthabern. Da war Philipp III. schon tot, ermordet 317 auf Olympias Initiative hin, der Mutter Alexanders des Großen, die deshalb ihrerseits hingerichtet wurde; 310 wurde der kleine Alexander IV. umgebracht. Die Dynastien der Nachfolger ergriffen die Macht. — Antigonos der Einäugige, ein gewaltiger Herrscher, kämpfte unablässig bis zu seinem Tod in der Schlacht um die Herrschaft, die er mit seinem Sohn Demetrios mehrfach innehatte und dann doch verlor. Demetrios war zeitweise nur auf seine Flotte beschränkt, mit der er Stadt um Stadt belagerte und daher den Beinamen Poliorketes, »der Städtebelagerer«, erhielt; und obwohl er als Gefangener am Seleukidenhof an seinen Ausschweifungen starb, errang sein Sohn Antigonos II. Gonatas doch endgültig den makedonischen Königsthron.
 
305 v. Chr. wurde die Konsequenz aus der Entwicklung gezogen, und die Prätendenten erklärten sich einer nach dem anderen zu Königen, zuerst Antigonos Monophthalmos und Demetrios, dann Ptolemaios und Seleukos. Sie begannen auch, durch eigene Städtegründungen selbstständig in die Fußstapfen Alexanders zu treten: Kassander, Antipaters Sohn, gründete an der Stelle von Poteidaia Kassandreia, Seleukos Seleukeia am Tigris, Lysimachos, der zeitweilig über ein Großthrakien herrschte, Lysimacheia an der engsten Stelle des Thrakischen Chersones, Antigonos Antigoneia am Orontes, Demetrios Demetrias beim heutigen Volos auf der Halbinsel Magnesia in Thessalien, und Ptolemaios ein Ptolemais in Südägypten. Im Übrigen waren die Kämpen, die sich um Alexanders Nachfolge stritten, von ungewöhnlicher Körpergröße, wurden großenteils sehr alt und starben oft, während sie noch in voller Aktivität standen.
 
Auch nach der Etablierung der großen Monarchien ließ die Rivalität untereinander nicht nach, und komplizierter wurde die Lage dadurch, dass es immerhin noch die traditionellen Stadtstaaten in Griechenland gab, zu denen sich neue politische Gebilde überregionalen Charakters wie der Ätolische und der Achäische Bund gesellten. Neue, kleinere Königreiche wie Pergamon und das baktrisch-indische Reich kamen hinzu, es gab Aufstände wie den der Makkabäer in Palästina, in Syrakus verwandelte sich die traditionelle Tyrannis in eine Monarchie nach dem Muster der neuen Königreiche, und eine ursprünglich als barbarisch betrachtete Macht wurde immer mehr in die griechischen Auseinandersetzungen hineingezogen, Rom. Dieses unablässige Hin und Her erschien den Zeitgenossen so unübersichtlich und regellos, dass sie es der Göttin Tyche, dem blinden Zufall, zuschrieben, und erst durch die römische Herrschaft kam wieder ein Ziel in den Geschichtsablauf.
 
 Das ptolemäische Ägypten und die kulturelle Hauptstadt Alexandria
 
Am übersichtlichsten zu schildern ist das ptolemäische Ägypten. Seine Dynastie blieb stabil und brachte mit ihren ersten Königen und Königinnen tatkräftige Herrscher hervor. Vom Gründer ist das unmittelbar klar, aber auch sein Sohn Ptolemaios II. war ein bedeutender Herrscher, der in seiner Schwestergemahlin Arsinoe I. eine kongeniale Gefährtin hatte; auf ihre Initiative ist die Kultivierung der Oase Faijum westlich des Nildeltas zurückzuführen. Zwei Generationen später degenerierte die Dynastie zwar deutlich, aber wies in der viel beschriebenen Kleopatra VII. zum Schluss noch eine besonders eindrucksvolle Persönlichkeit auf; als Erste und gleichzeitig Letzte begnügte sie sich nicht nur mit dem Griechischen, sondern lernte die Sprache ihrer ägyptischen Untertanen. Auch territorial blieb Ägypten bis zu seiner Eingliederung in das Römische Reich im Jahre 30 v. Chr. unangetastet, obwohl es seine Außenbesitzungen allmählich einbüßte.
 
Die Organisation des Kerngebietes, des Niltals, sah auf eine über dreitausendjährige Geschichte zurück, und an sie knüpften die Ptolemäer mithilfe ihrer griechischen Zuwanderer an. Das Land, das traditionellerweise schon immer als königliches Eigentum betrachtet worden, aber immer wieder in Privateigentum zurückgefallen war, wurde wieder einheitlich organisiert und unter Einbeziehung griechischer ökonomischer Vorstellungen in einer hoch differenzierten Mischung aus Staatswirtschaft und Privatinitiative zum ertragreichsten der gesamten Antike gemacht. Die Wirtschaftsplanung war so intensiv ausgeformt, dass die Abgaben nicht in Form von Bruchteilen des jeweiligen Ernteertrages, sondern in absoluten Mengen festgesetzt werden konnten, und obwohl die Schwierigkeiten auch hier zunahmen, war Ägypten zum Schluss doch immer noch so reich, dass seine Inbesitznahme durch Rom von den Römern als Gefährdung ihres inneren Gleichgewichts angesehen wurde.
 
Ägypten wurde von einer Griechisch sprechenden Herrenschicht überzogen, die die wichtigsten Verwaltungsposten bekleidete, die aber gleichzeitig einen immer stärkeren Zuzug aus den Kreisen der sich gräzisierenden Ägypter bekam. Im Allgemeinen wurde die griechische Herrschaft akzeptiert, und gelegentliche eher sozial verursachte Aufstände wirkten sich nicht gravierend aus. Zu dieser Akzeptierung trug auch die kluge Nationalitätenpolitik der Dynastie bei. Die Ptolemäer schonten die religiösen Gefühle der Ägypter und versuchten nur, im Herrscherkult und in der Förderung des aus der Ägäis stammenden Gottes Sarapis Kultformen zu schaffen, in denen sich sämtliche Reichsangehörige treffen konnten; im Herrscherkult gelang das, Sarapis blieb aber immer nur der Gott der Nichtägypter. Die Könige bauten den Einheimischen weiterhin prachtvolle Tempel, wie es die Pharaonen seit alters getan hatten: Die heute noch zu sehenden eindrucksvollen Bauten in Dendera, Edfu und Kom Ombo stammen aus der Ptolemäerzeit.
 
Die Ptolemäer konnten also an die stabile pharaonische Tradition anknüpfen, und so ist es auch zu erklären, dass sie darauf verzichteten, Städte zu gründen. Außer Alexandria und Ptolemais gab es nur die alte Griechenstadt Naukratis im Nildelta, und alle anderen Ansiedlungen hatten keine eigene autonome Verwaltung, sondern waren in die hierarchisch gegliederte Territorialverwaltung eingebunden. Die über das Land verstreut lebenden Griechen und andere zahlreiche Völkerschaften wahrten ihren inneren Zusammenhalt dadurch, dass sie sich in Kulturgemeinschaften zusammenschlossen, auf Griechisch politeumata.
 
Regiert wurde von Alexandria aus. Alexandria lag an der Mündung des westlichen Nilarmes in den Mareotissee, der durch einen ostwestlich vorgelagerten breiten Landstreifen vom Meer getrennt war; die Verbindung zwischen See und Meer war durch einen Kanal hergestellt. Auf diesem Landstreifen ließ Alexander der Große die Stadt anlegen. Sie war von Deinokrates von Rhodos geplant, mit einander rechtwinklig kreuzenden Straßen. In ostwestlicher Richtung war der Stadt eine Insel im Meer vorgelagert, Pharos, an deren Ostspitze durch Sostratos von Knidos der berühmte Leuchtturm errichtet wurde. Pharos wurde durch einen Damm mit der Stadt verbunden, und demgemäß ergaben sich zwei Hafenbecken, der Eunostoshafen im Westen und der Große Hafen im Osten. Auf der Halbinsel Lochias lag der königliche Palast, und an ihn schloss sich südlich das zentrale Stadtviertel Brucheion an. Die Ägypter wohnten in den westlichen Stadtvierteln, ganz im Nordosten Juden, während sich östlich zunächst der elegante Vorort Eleusis anschloss, danach Kanopos mit einem üppigen Vergnügungsleben. Die Stadt war eine riesige, brodelnde Großstadt mit nicht viel unter einer Million Einwohnern. Kulturell dominierten die Griechen. Ptolemaios I. begründete das Museion, eine Art Akademie der Wissenschaften und der Literatur. Es stellte eine Vereinigung von Künstlern und Gelehrten aus aller Welt dar, die dort auf Kosten des Königs arbeiten konnten. Organisiert war es in Form eines Kultvereins für die Musen mit einem vom König eingesetzten Priester. Etwas weiter weg vom Museion befand sich die Bibliothek. Sie umfasste zur Zeit ihrer Hochblüte etwa eine Dreiviertelmillion Buchrollen und war öffentlich zugänglich. Zu ihren Vorstehern wurden die hervorragendsten Dichter und Gelehrten der Zeit ernannt, die teilweise gleichzeitig als Erzieher der ptolemäischen Prinzen fungierten — sie kamen von überall her, um in Alexandria zu wirken, so etwa Zenodot von Ephesos, Kallimachos von Kyrene, Apollonios aus Alexandria, der dann nach Rhodos ging, Aristophanes von Byzanz, auch Theokrit von Syrakus hat eine Zeit am ptolemäischen Hof verbracht. Die Übergänge zur Naturwissenschaft waren fließend. Eratosthenes von Kyrene war Bibliothekschef, Prinzenerzieher und Dichter, aber auch Geograph, Botaniker und Zoologe. Auch der Mathematiker Euklid lernte und lehrte in Alexandria, und bei ihm wiederum lernte Archimedes von Syrakus, der die Infinitesimalrechnung begründete, die Zahl Pi berechnete, den Flaschenzug erfand und das spezifische Gewicht entdeckte.
 
Das schöpferische intellektuelle Leben Alexandrias spiegelte sich auch in der Bevölkerung Ägyptens. Ägypter und Eingewanderte stellten eine schreibfreudige Gesellschaft dar, und da das Papier, auf das alle alles schrieben, der Papyrus, durch das trockene Klima in großen Mengen erhalten geblieben ist, wissen wir über Ägypten besonders gut Bescheid, auch über die dort lebenden Frauen. Dass es außer Arsinoe und Kleopatra auch weitere herausragende Königinnen gab, folgt aus dem dynastischen Prinzip und ist daher nichts Besonderes. Angesichts der deutlich zurückgesetzten Stellung der mutterländischen Frauen ist es dann aber eine Überraschung, wie selbstständig die Frauen waren, von denen wir durch die ägyptischen Papyri hören. Sie schlossen mit ihren künftigen Männern Eheverträge, in denen sich auch die Männer zur ehelichen Treue verpflichteten, sie waren Geschäftsinhaberinnen und bewirtschafteten landwirtschaftliche Grundstücke, kauften und verkauften in großem Stil. Diese freie Stellung erklärt sich damit, dass durch die individuelle Auswanderung der Polisverband aufgelöst wurde; das Leben im Ausland mit seiner andersartigen einheimischen Bevölkerung verlangte, vergleichbar mit der Situation in Sparta, selbstständige Frauen der herrschenden Schicht.
 
 
Ganz anders war die Situation im Seleukidenreich. Da wir kaum Papyri haben, ist die Überlieferungssituation weit schlechter, und da das seleukidische Herrschaftsgebiet extrem heterogen war, konnte nicht auf die Tradition einer uralten und hoch effizienten Einheitsverwaltung zurückgegriffen werden, sondern man musste andere Mittel anwenden, um die Herrschaft dauerhaft zu gestalten. Auch bei den Seleukiden gab es den Herrscherkult; wirtschaftlich gab es auf weiten Strecken Königsland, das einer zentralen Bewirtschaftung unterlag, nur dass die Abgaben hier prozentual berechnet wurden, also in ihrer absoluten Höhe vom tatsächlichen Ernteausfall abhingen. Darüber hinaus aber war es nötig, weitere Klammern anzubringen, um das Reich zusammenzuhalten, und diese Klammern bildeten die griechischen Städte.
 
Städte waren in den westlichen Gebieten schon immer da gewesen, in den altorientalischen Kerngebieten Syriens und Mesopotamiens wurden die seit Urzeiten bestehenden Städte in Städte griechischen Typs umgewandelt, und es wurden auch reine Militärkolonien angelegt, die sich oft zu Städten entwickelten. Griechische Städte wurden aber auch planmäßig neu angelegt; definieren lassen sie sich in dem Sinne, dass sie urbanistisch aus einer Stadtanlage mit öffentlichen Gebäuden, Theater und Sportanlagen bestanden und dass sie eine jeweils unterschiedlich ausgebaute eigene innere Verfassung hatten. Bevölkert wurden sie von eingewanderten Griechen und Einheimischen, die sich der griechischen Lebensart anpassten. Welche herrschaftspolitische Funktion den Städten zugedacht war, ist an den Namen zu erkennen, die ihnen gegeben wurden. Zum Teil wurden sie nach Orten der europäischen Heimat der herrschenden Schicht benannt, etwa Beroia oder Europos, oder aber nach den männlichen und weiblichen Angehörigen der Dynastie, also Seleukeia oder Antiochia oder Apameia oder Laodikeia — mit anderen Worten nach den verschiedenen Trägern der Namen Seleukos, Antiochos, Apame oder Laodike.
 
Die seleukidischen Herrscher waren zum großen Teil sehr eindrucksvolle Gestalten, und vielleicht war es gerade die besondere Schwierigkeit, das Riesenreich zusammenzuhalten, die als Herausforderung wirkte und energische Persönlichkeiten formte. Hervorgehoben seien hier außer dem Dynastiegründer Seleukos dessen Sohn Antiochos I. Soter — Sohn der Iranerin Apame — sowie Antiochos III., der sich den Beinamen »der Große« durch seine Wiederaufnahme des Alexanderzuges am Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. wohl verdient hat; dass er dann den Römern gegenüber unterlag, spricht nicht gegen ihn, sondern für die alles andere in den Schatten stellenden römischen Fähigkeiten. Auch sein Sohn Antiochos IV. Epiphanes war ein tüchtiger Herrscher, der bereits Ägypten erobert hatte und nur von den Römern daran gehindert wurde, es dem Seleukidenreich einzugliedern. Sein Zusammenstoß mit den aufständischen Juden hat ihm einen unverdient schlechten Ruf eingebracht. Auch die verhältnismäßig zahlreichen Usurpationsversuche im Seleukidenreich sprechen von großen Energien aufseiten der Beteiligten, freilich eben auch davon, dass im Ergebnis dieses Reich aus den objektiven Gründen der zu großen Unterschiedlichkeiten einfach nicht zusammenzuhalten war und von den Rändern her immer weiter abbröckelte; der Rest wurde zum Schluss als Provinz Syria im Jahre 63 v. Chr. ins Römische Reich integriert.
 
 Das makedonische Königreich, Reiche in Kleinasien und Sizilien
 
Zwischen beiden Großreichen steht in vieler Beziehung das makedonische Königreich. Sein Kern, das traditionelle Makedonien, blieb bis zur Vernichtung durch Rom stabil, während seine darüber hinausreichenden Besitzungen erheblichen Fluktuationen unterworfen waren. Die Dynastie der Antigoniden verdankte ihre endgültige Etablierung auf dem makedonischen Thron der Tatsache, dass Antigonos II. Gonatas, der mit seinem festen Charakter das genaue Gegenbild seines Vaters Demetrios I. Poliorketes darstellte, 277 v. Chr. über die eingefallenen Kelten siegte und damit großes Prestige gewann. 265 v. Chr. siegte er im Chremonideischen Krieg, einem auf Antrag des Atheners Chremonides geführten Krieg zahlreicher griechischer Staaten gegen Makedonien, und 262 v. Chr. konnte er Athen erobern; lange Zeit blieb Piräus makedonisch besetzt. Nachdem Makedonien durch den Achäischen Bund unter Führung des Aratos allmählich wieder aus Griechenland hinausgedrängt worden war, konnte sich Antigonos III. Doson an der Seite der Achäer gegen das wieder erstarkende Sparta wenden. 221 v. Chr. folgte ihm Philipp V., für den Doson zunächst die Herrschaft ausgeübt hatte; unter ihm, der 179 v. Chr. starb, erfolgte nach anfänglichen großen Erfolgen der Zusammenstoß mit Rom, der in einer vollständigen und dauerhaften Niederlage Makedoniens endete. 168 v. Chr. wurde Makedonien in vier Republiken aufgeteilt und 146 v. Chr. wurde es römische Provinz.
 
Kleinasien emanzipierte sich mehr und mehr von der seleukidischen Herrschaft. Es entstanden unter anderem die Königreiche Pergamon, Bithynien und Kommagene, und mit dem Königreich Pontos im Nordosten wurde sogar ein Reich mächtig, das nie zum Alexanderreich gehört hatte. Seine Dynastie, die die Könige namens Mithridates hervorbrachte, war iranisch, aber stark hellenisiert; zeitweise gab es sogar eine Personalunion mit dem Bosporanischen Reich, das im Norden des Schwarzmeergebietes durch den Druck der einheimischen Stämme aus den alten Griechenstädten hervorgegangen war.
 
Im Westen war am Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. Agathokles zum Tyrannen von Syrakus aufgestiegen, unterschied sich freilich alsbald von den bisherigen Tyrannen, an die Sizilien ja fast gewöhnt war. Zum einen führte er den Krieg gegen Karthago mit beispielloser Kühnheit: Er setzte 310 v. Chr. nach Afrika über, verbrannte die Flotte, um sich zum Ausharren zu zwingen, musste dann 307 v. Chr. doch wieder zurück nach Syrakus. Zum anderen nahm er sich die neuen Monarchien zum Zwecke der eigenen Legitimierung zum Vorbild, indem er sich schon 304 v. Chr. zum König machte; das wurde von den neuen Mächten auch anerkannt und durch dynastische Heiraten dokumentiert — Agathokles heiratete eine Tochter des Königs Ptolemaios I. von Ägypten; 274 v. Chr. folgte als Tyrann Hieron, der als König Hieron II. den 2. Punischen Krieg der Römer mit auslöste und alsbald bis zu seinem Tod 215 v. Chr. deren treuester Verbündeter wurde.
 
 Das Königreich Pergamon
 
Neben Alexandria und Athen war Pergamon ein weiteres Zentrum des hellenistischen intellektuellen Lebens. Bemerkenswert war schon die Dynastie. Ihr Gründer, der makedonische Offizier Philetairos, regierte den kleinen Staat um Stadt und Burg Pergamon jahrzehntelang als Vasall zunächst des Lysimachos, dann der Seleukiden, und nicht einmal sein Neffe und Nachfolger Eumenes I., der bis 241 regierte, wagte sich mit der Annahme des Königstitels hervor. Das tat erst dessen Nachfolger Attalos I., der bis 197 v. Chr. regierte und kräftig in die internationale Politik eingriff. Als er bald nach Regierungsantritt die Kelten, die in Kleinasien Galater genannt wurden, besiegt hatte, nannte er sich König mit dem Zusatz »Soter«, »Retter«, wie es Ptolemaios I. getan hatte. Hatten schon seine Vorgänger das Territorium ihres Reiches zu erweitern getrachtet, so setzte Attalos diese Politik fort; er wurde durch den Hilferuf an die Römer 201 v. Chr. gegen Philipp V. zu einem Faktor der internationalen Politik und kämpfte auch in Person kurz vor seinem Tode 197 in der Schlacht von Kynoskephalai mit.
 
Attalos war mit einer griechischen Bürgerstochter aus Kyzikos verheiratet, Apollonis. Vier Söhne hatte sie mit Attalos, und diese Söhne lebten der Umwelt echte brüderliche Einigkeit vor, wie sie in der Welt der hellenistischen Dynastien, wo allzu oft Dolch und Gift herrschten, einmalig war. Zunächst trat Eumenes II. die Regierung an. Als verlässlicher Freund Roms erhielt er nach den Siegen über Antiochos den Großen, an denen die pergamenischen Truppen maßgeblich beteiligt waren, große Teile Kleinasiens. Auch am Krieg gegen Perseus von Makedonien, der 168 v. Chr. mit dem Ende des makedonischen Staates Thron und Leben verlor, nahm er aktiven Anteil. Gleichwohl fingen die Römer an, ihm zu misstrauen und versuchten, seinen Bruder Attalos gegen ihn aufzubringen, aber das misslang. Das Verhältnis der Brüder hatte sich schon 172 aufs Beste bewährt, als aufgrund eines Gerüchtes von der Ermordung des Eumenes II. Attalos sofort die Nachfolge antrat und sogar Stratonike, die Frau des Eumenes, heiratete — als sich die Nachricht als falsch erwies, wurde der frühere Zustand wiederhergestellt, ohne dass ein Schatten auf das beiderseitige Verhältnis fiel.
 
159 starb Eumenes, 70 Jahre alt, Attalos II. folgte ihm nach und heiratete wieder Stratonike, mit der er noch mehrere Kinder hatte. Er blieb treuer Bundesgenosse der Römer, auf deren Seite er persönlich schon immer mitgefochten hatte. Auch die Zwistigkeiten mit dem König des Nachbarstaates Bithynien, die schon das Verhältnis seines Bruders zu den Römern belastet hatten, stand er durch, ohne in das romfeindliche Lager überzuwechseln. 138 ist er 82-jährig gestorben. Sein Nachfolger Attalos III., ein Sohn Eumenes' II., war ein Sonderling, der zurückgezogen lebte und sich mit botanischen Studien abgab. Politisch aber zog er die richtige Konsequenz aus der Weltlage. Als er schon 133 v. Chr. starb, hinterließ er sein Königreich testamentarisch dem römischen Staat, und aus dem Königreich Pergamon wurde die römische Provinz Asia.
 
Die Stadt Pergamon war eine der prachtvollsten Anlagen der Antike. Sie erstreckte sich in Nord —Süd-Richtung über knapp 1,5 km und bestand neben den Wohnvierteln aus zahlreichen Palästen, Gymnasien, Tempeln und Heiligtümern sowie Märkten und Theatern. Die Fülle und die Anordnung der Bauten und Kunstwerke zeigen deutlich, dass es den Herrschern auf den prachtvollen äußeren Eindruck ankam, ähnlich, wie es erstmals auf der athenischen Akropolis im 5. Jahrhundert v. Chr. der Fall war. Am berühmtesten ist der große Zeusaltar, der heute im Pergamonmuseum in Berlin steht, der wohl von Eumenes II. begonnen wurde, nachdem Antiochos der Große von ihm und den Römern besiegt worden war. Ebenso bekannt ist auch das von Attalos I. Soter gestiftete Siegesmonument, das »Große Attalische Weihgeschenk«: Nach seinem Sieg über die Galater ließ er eine Figurengruppe errichten, unter denen sich der »Sterbende Gallier« und »Der seine Frau und sich selbst tötende Gallier« befinden.
 
Wie sehr es Attalos I. auf die Außenwirkung ankam, zeigt sich auch daran, dass er wie die Ptolemäer Künstler und Gelehrte nach Pergamon berief und dass er ebenfalls eine öffentliche Bibliothek einrichtete. Mit dieser Bibliothek hängt es wohl auch zusammen, dass in Pergamon ein neuer Beschreibstoff verwendet wurde, das Pergament; möglicherweise behinderte Ägypten aus Konkurrenzgründen die Papyrusausfuhr, sodass die Pergamener auf etwas anderes ausweichen mussten. Dass aber Athen auch vom pergamenischen Herrscherhaus der Attaliden immer noch als die Kulturhauptstadt angesehen wurde, erweist sich daran, dass Eumenes II. der Stadt eine Stoa stiftete; heute noch ist sie am Südhang der Akropolis zu sehen, westlich vom Dionysostheater. Sein Bruder Attalos II. vollendete den großen Zeusaltar und stiftete ebenfalls den Athenern eine Stoa, die heute wiederhergestellte Attalos-Stoa am Ostrand der Agora.
 
 Athen und Sparta
 
Athen blieb weiter eine wichtige politische Macht, wenn auch kaum noch politische Initiativen von ihm ausgingen und es meistens nur reagierte und sich sozusagen durch die weltpolitischen Wechselfälle hindurchschlängelte. Dass ihm das fast immer mit Erfolg gelang, lag auch an dem großen Prestige, das es wegen seiner Vergangenheit und wegen seines immer noch vitalen kulturellen Lebens hatte. So blieben in Athen weiterhin die Dichtung, als berühmtester Vertreter ist der Athener Menander zu nennen, und ebenso die Philosophie mit der Akademie und dem Peripatos, und hinzu kam die Lehre des Atheners Epikur. Anders als sein Ruf als Befürworter schwelgerischer Lust behauptet, richtete sich seine Lehre, wie die der anderen Philosophenschulen auch, nicht mehr auf ein in die polis eingebundenes, sondern auf ein auf sich gestelltes Leben, das versuchen solle, individuelle Zufriedenheit zu erreichen. Demgemäß war sein Ideal nicht die Beteiligung am politischen Leben, sondern ein ungestörtes Leben abseits des gesellschaftlichen Trubels. Die in Athen entstandene Stoa hatte mit ihrer Pflichtenlehre überall ihre Vertreter.
 
322 war Athen von Kassander besetzt worden, der eine oligarchische Verfassung einführte; als sein Beauftragter übte von 317 bis 307 v. Chr. der aristotelische Philosoph Demetrios von Phaleron eine gemäßigte Alleinherrschaft aus. Durch Demetrios I. Poliorketes wurde die Demokratie wieder eingeführt, Demetrios von Phaleron ging ins Exil an den Ptolemäerhof. Das Verhältnis zu Makedonien war ständig das Zentralthema der athenischen Außenpolitik und gestaltete sich entsprechend wechselhaft; im 1. Mithridatischen Krieg kalkulierte Athen dann falsch, reihte sich in die antirömische Koalition ein und wurde 86 v. Chr. von dem römischen Feldherrn Sulla erobert und zerstört, erholte sich jedoch bald wieder.
 
Eine Sonderrolle spielte nach wie vor Sparta; zwar dominierte es nicht mehr, aber es hatte noch genügend Potenzial, um wenigstens die allgemeinen Kräfteverhältnisse zu beeinflussen. Seine sozialen Zustände waren nach der Selbstständigkeit Messeniens immer chaotischer geworden, es gab starke Vermögenskonzentrationen, an denen auch die Frauen einen großen Anteil hatten. Die Erinnerungen an die glorreiche und idealisierte Vergangenheit waren aber wach, und einen ersten Versuch, die alte Stärke wieder aufleben zu lassen, machte König Agis IV. 244 v. Chr.; er betrieb eine Schuldentilgung und Neuverteilung des Landes und setzte sogar seinen Mitkönig Leonidas und die Ephoren ab — 241 wurde er hingerichtet. Einen neuen Anlauf unternahm Kleomenes III., der Sohn des Leonidas. Nach militärischen Erfolgen gegen die im Achäischen Bund zusammengeschlossenen Griechen stürzte er die Ephoren, machte 4000 Periöken zu spartiatischen Vollbürgern und verteilte das Land neu. Nach einem abermaligen Sieg machte der Achäische Bund, der bisher immer gegen Makedonien gestanden hatte, eine radikale Kehrtwendung und verbündete sich mit Makedonien. Unter Antigonos III. Doson wurde Kleomenes III. 222 bei Sellasia in der Nähe Spartas völlig geschlagen, der Makedonenkönig zog in Sparta ein, Kleomenes ging ins Exil nach Ägypten, wo er einige Jahre später umkam. Um 200 v. Chr. wurde Sparta von dem Tyrannen Nabis beherrscht, der mit den Römern zusammenarbeitete, dann teilte es das Schicksal ganz Griechenlands.
 
 Neue und neuartige Mächte: Rhodos, der Ätolische Bund und der Achäische Bund
 
Neben den traditionellen griechischen Mächten traten aber auch solche in den Vordergrund der politischen Bühne, die bisher keine aktive Rolle gespielt hatten. Die wichtigste ist Rhodos, das seit seinem synoikismos 408/407 v. Chr. immer mächtiger geworden war. Es wurde einer der wenigen ausgesprochenen Handelsstaaten Griechenlands, das heißt ein Staat, dessen Interessen merkantiler Natur waren und dessen Politik sich vor allem auf den Handel richtete. Rhodos hatte drei künstliche Häfen angelegt, um Handelsschiffen günstige Umschlagmöglichkeiten bieten zu können, die durch Hafengebühren und indirekte Vorteile der Stadt wirtschaftlichen Nutzen brachten; der eigene Handel von Rhodos dokumentiert sich in den Stempeln, die, mit den Namen von Beamten und Produzenten auf Amphorenhenkeln angebracht, zusammen mit den Amphorenstempeln anderer Städte über die ganze antike Welt verbreitet waren und eine wichtige Quelle der Wirtschaftsgeschichte darstellen. 307/306 v. Chr. widerstand die Stadt der Belagerung durch Demetrios I. Poliorketes und errichtete als Denkmal des Sieges eine 70 Ellen hohe Bronzestatue des Stadtgottes Helios, den »Koloss von Rhodos«. Als mittlere Macht, die in den monarchischen Großreichen die Hauptgefahr erblickte, stand Rhodos lange Zeit auf der Seite Roms und erhielt 188 v. Chr. nach dessen Sieg über Antiochos den Großen Teile des kleinasiatischen Festlandes. Als Rom aber 168 v. Chr. an der Loyalität der Handelsstadt zweifelte, wurde ihr nicht nur der Festlandsbesitz wieder entzogen, sondern es wurde auch die Insel Delos zum Freihafen gemacht mit der Folge, dass die Handelsströme dorthin abgelenkt wurden und Rhodos erhebliche Einnahmen verlor.
 
Nicht nur neue, sondern auch neuartige Mächte bildeten sich heraus, und sie schienen eine Zeit lang sogar in der Lage zu sein, das politische Leben maßgeblich zu bestimmen. Das waren die Bünde, also überregionale Zusammenschlüsse, die wirklich gleichberechtigte Mitglieder ohne einen die Führung beanspruchenden Hegemon hatten; teilweise datierten sie schon in ältere Zeiten zurück, gewannen entscheidende Bedeutung jedoch erst im Hellenismus. Die beiden bedeutendsten waren der Ätolische Bund mit seinem Zentrum im westlichen Mittelgriechenland und der Achäische Bund mit dem Zentrum auf der Peloponnes.
 
Die Bünde hatten eine Repräsentativverfassung, und ihre Bedeutung lag darin, dass in ihnen kleinere Staaten zusammengefasst waren, die sich sonst nicht hätten zur Geltung bringen können. Dass überhaupt die Zusammenfassung von Bevölkerungen eine Machtsteigerung zur Folge hat und deshalb auch vorgenommen wurde, zeigte sich etwa im synoikismos von Rhodos oder in der Gründung von Megalopolis, was »große Stadt« heißt, in Arkadien. Die bedeutendsten Staatsmänner des Achäischen Bundes, über die es auch eine bewundernde biographische Tradition gibt, waren Aratos von Sikyon, der 213 v. Chr. gestorben ist, und Philopoimen von Megalopolis, dessen Todesjahr 183 v. Chr. ist; beide wurden oft als Strategen wieder gewählt. Aratos befreite Korinth und Athen von den Makedonen, machte dann aber wegen des Aufstiegs Spartas unter Kleomenes die sensationelle Kehrtwendung zu einem Bündnis mit Antigonos Doson; Philopoimen versuchte letztmals, den Achäischen Bund sowohl von Makedonien als auch von Rom unabhängig zu halten.
 
 Zwei Sonderfälle: Palästina und Baktrien
 
Die Vielfalt der hellenistischen Staatenwelt kann hier nicht vollständig wiedergegeben werden. Daher sollen nur noch zwei Sonderfälle zur Sprache kommen: der Aufstand der Makkabäer in Palästina und die Griechen in Baktrien. Palästina hatte bis zum Jahr 200 v. Chr. zum ägyptischen Ptolemäerreich gehört und war dann nach der Schlacht am Panion unterhalb der Golanhöhen an das Seleukidenreich gefallen. Die Gräzisierung des Judentums in der hellenistischen Welt war bereits weit fortgeschritten, und auch in Palästina griff sie immer weiter um sich. Im 3. Jahrhundert v. Chr. begann man in Ägypten, die Bibel ins Griechische zu übersetzen (Septuaginta), weil die Kenntnis des Hebräischen immer mehr zurückging, und selbst über den Aufstand der Makkabäer, der sich ja gegen die griechische Zivilisation richtete, sind wir durch die beiden griechisch geschriebenen Makkabäerbücher unterrichtet, das erste immerhin noch eine Übersetzung aus dem Hebräischen, das zweite eine Zusammenfassung des griechisch geschriebenen Geschichtswerks eines Iason von Kyrene.
 
Der Ausgangspunkt für den Makkabäeraufstand war ein innerjüdischer Streit um die Besetzung des Hohepriesteramtes. Der jüdische Staat gehörte nämlich zu den staatlichen Gebilden, über die die Seleukiden nicht unmittelbar herrschten, sondern deren innere Organisation sie möglichst unangetastet ließen, wenn nur die generelle Unterordnung und die Abgabenzahlung gewährleistet waren. Höhere Abgaben versprach nun Iason, ein Angehöriger der Hohepriesterfamilie der Oniaden, dem König Antiochos IV., wenn er Hohepriester werden würde; ein Konkurrent namens Menelaos überbot ihn. Es wurde versucht, Jerusalem eine Polisverfassung zu geben, ja, man begann nach griechischer Sitte in Gymnasien nackt Sport zu treiben. Es kam zu immer größeren innerjüdischen Eifersüchteleien, die sich zunächst nicht gegen die Hellenisierung richteten. Gleichwohl verstand sie Antiochos IV. im Jahre 168 v. Chr. — er war gerade von den Römern in Ägypten gedemütigt worden — als Aufruhr, besetzte Jerusalem und entweihte den Tempel, indem er ihn zu einem griechischen Zeustempel machte. Dagegen richtete sich seit 166 ein Aufstand traditionsbewusster Juden unter Führung des Judas Makkabi, der am 14. Dezember 164 v. Chr. zur neuen Weihung des Tempels (Chanukkafest) und schließlich zur Loslösung des jüdischen Staates aus dem Seleukidenreich führte. Paradoxerweise lebte dieser Staat dann anderthalb Jahrhunderte unter Königen, die sich kaum noch von anderen gräzisierten hellenistischen Königen unterschieden. Herodes der Große ist der bekannteste von ihnen.
 
Zeigt der Makkabäeraufstand, wie der Druck des allgemeinen kulturellen Kontextes auf Gräzisierung von Nichtgriechen hinauslief, so sieht man umgekehrt an den baktrischen Griechen, wie sich das Griechentum trotz erheblicher Anstrengungen auf einem kulturellen Außenposten nicht behaupten konnte. Seit Alexander siedelten in Baktrien Griechen, und zwar ganz in hellenistischen Formen unter Königen, die, wie ihre ptolemäischen oder seleukidischen Parallelen, ihre erhabene Stellung durch Beinamen wie Soter (Retter), Dikaios (Gerechter), Nikator (Sieger), Aniketos (Unbesiegbarer), Megas (Großer) oder gar Theos (Gott) ausdrückten. Die heutige Archäologie hat in der Stadt Ai Khanum in Afghanistan alle architektonischen Bestandteile einer Griechenstadt gefunden, einschließlich eines Theaters und einer Sportarena sowie Inschriften, aus denen sich enge Verbindungen zum europäischen Mutterland ergeben.
 
Dieses Diasporagriechentum begnügte sich aber nicht damit, seine bloße Existenz zu sichern, sondern es expandierte nach Indien hinein. Es gab nicht nur Kriegszüge bis zum Ganges, wir finden auch griechische Münzen mitten in Indien. Diese Münzen sind nun bereits zweisprachig beschriftet, und vom Griechenkönig Menander berichten indische Quellen, dass er zum Buddhismus übergetreten und ins Kloster gegangen sei; ganz erlosch das Griechentum teils unter dem Ansturm innerasiatischer Stämme, teils durch eigene Assimilierung im 1. Jahrhundert v. Chr. Wie präsent das Griechentum aber in der Hochzeit des Hellenismus in Indien gewesen ist, zeigt sich nicht nur darin, dass die Seleukiden in Megasthenes einen Gesandten am Kaiserhof in Pataliputra (Patna) hatten, der nach seiner Rückkehr ein Buch über Indien verfasste, sondern auch in den Felsinschriften des Königs Ashoka: Das Vorbild Alexanders des Großen soll durch den Fürsten Candragupta zum ersten indischen Großreich der Mauryadynastie geführt haben, und Ashoka war einer sei- ner Nachfolger. Im 3. Jahrhundert v. Chr. trat auch er zum Buddhismus über, bereute seine früheren Grausamkeiten, berichtete in zahlreichen steinernen Inschriften über seine Konversion, und diese über ganz Indien verstreuten Texte sind mehrsprachig und auch auf Griechisch abgefasst.
 
 Das Vordringen Roms aus griechischer Perspektive
 
Und die Rolle Roms? Erst allmählich trat diese kleine italische Landstadt in das Blickfeld der Griechen, endgültig durch ihren Krieg mit dem Karthager Hannibal, also durch den 2. Punischen Krieg von 218 bis 201 v. Chr. Aus der griechischen Perspektive war Rom der Angreifer, und die Römer hatten Mühe, sich durch eine eigene Geschichtsdarstellung von diesem negativen Ruf zu befreien. Auf der anderen Seite erschienen die Römer vielen griechischen Staaten als willkommene Helfer in ihren außenpolitischen Konflikten — stark genug, um effektiv zu sein, aber auch entfernt genug, um nicht gefährlich zu werden. Als daher Philipp V. von Makedonien im Bündnis mit Antiochos dem Großen eine Eroberungspolitik in Griechenland begann, riefen Pergamon, Rhodos und Athen 200 v. Chr. Rom zu Hilfe, und ihre Erwartungen wurden erfüllt. Rom erinnerte sich genau, dass Philipp mit Hannibal ein Bündnis eingegangen war, und wollte auch in eigenem Interesse eine möglicherweise gefährlich werdende Machtzusammenballung im Osten verhindern. Philipp wurde 197 von den Römern bei Kynoskephalai besiegt und 196 v. Chr. erklärten die Römer alle Griechenstädte für frei.
 
Dieser Vorgang wiederholte sich, als Antiochos der Große glaubte, Griechenland seinem Reich einverleiben zu können. Er war schon in Europa, als die Römer ihn auf griechisches Hilfeersuchen 192 bei den Thermopylen und dann 191 bei Magnesia in Kleinasien vernichtend schlugen. Er zog sich endgültig hinter das Taurosgebirge zurück, und die Römer verließen abermals das östliche Mittelmeergebiet.
 
Griechenland kam aber nicht zur Ruhe; anscheinend konnten seine Divergenzen intern nicht geregelt werden. 171 wurden die Römer wieder gerufen, diesmal gegen den makedonischen König Perseus, den Sohn Philipps. 168 v. Chr. wurde er bei Pydna geschlagen und Makedonien nun als eigener Staat dadurch ausgelöscht, dass es in vier Republiken aufgeteilt wurde. Wieder verließen die römischen Soldaten Griechenland, was aber blieb, waren immer direktere politische Interventionen Roms.
 
So erschien kurz nach Pydna eine römische Gesandtschaft bei Antiochos IV. Dieser stand mit seinem Heer schon vor Alexandria und war im Begriff, Ägypten dem Seleukidenreich anzuschließen. Der Leiter der Gesandtschaft, Popilius Laenas, zeichnete um den König einen Kreis in den Sand und erklärte, er erlaube Antiochos nur dann, den Kreis zu verlassen, wenn dieser verbindlich erkläre, wieder nach Syrien zurückzukehren. Der König tat das, so stark war die Autorität Roms. In der Folgezeit nahmen römischer Hochmut gegenüber den unfähigen Griechen, von denen man ja eigentlich gar nichts wollte, und griechischer Hass auf Rom zu, das man ganz gegen den eigentlichen Wunsch doch immer wieder brauchte und immer mehr in die eigenen Querelen hineinzog. Die Spannungen entluden sich 146 v. Chr., als Rom gerade dabei war, Karthago im 3. Punischen Krieg endgültig zu vernichten. Ein letzter Aufstand des Achäischen Bundes bewirkte, dass Rom mit Karthago gleich auch Korinth dem Erdboden gleichmachte.
 
Diese letzte Phase der griechischen politischen Geschichte hat den dritten der großen griechischen Historiker hervorgebracht, Polybios von Megalopolis, und auch sein persönliches Schicksal ist für diese Epoche charakteristisch. Gegen das Jahr 200 v. Chr. geboren, war er 169/168 Befehlshaber der achäischen Kavallerie. Nach der Niederlage Makedoniens bei Pydna 168 v. Chr. verbrachten die Römer 1000 führende Achäer nach Rom, darunter auch Polybios. Er hatte das große Glück, in die vornehme Familie der Scipionen zu kommen. Dadurch, dass er auf diese Weise das römische politische Leben aus nächster Nähe beobachten konnte, kam er zu der Überzeugung, dass die römische Verfassung und Sozialstruktur der griechischen überlegen sei. Demgemäß sah er im Aufstieg Roms keinen Zufall, auch nicht das Ergebnis bloßer militärischer Überlegenheit. Er nahm sich vor, seine griechischen Landsleute darüber aufzuklären und verfasste daher eine Universalgeschichte in 40 Büchern, in denen er Roms Aufstieg darstellte und erklärte.
 
Prof. Dr. jur. Wolfgang Schuller
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Religion in der antiken Gesellschaft
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Griechen und Makedonen
 
 
Bar-Kochva, Bezalel: Judas Maccabaeus. The Jewish struggle against the Seleucids. Aus dem Hebräischen. Cambridge u. a. 1989.
 Bengtson, Hermann: Griechische Geschichte. Von den Anfängen bis in die römische Kaiserzeit. München 81994.
 Bichler, Reinhold: »Hellenismus«. Geschichte und Problematik eines Epochenbegriffs. Darmstadt 1983.
 Marcus Tullius Cicero: Gespräche in Tusculum. Lateinisch-deutsch, herausgegeben von Olof Gigon. Darmstadt 61992.
 
dtv-Geschichte der Antike, herausgegeben von Oswyn Murray. 7 Bände. Aus dem Englischen. München 1-51988-96.
 
Fischer-Weltgeschichte, Band 5: Die Mittelmeerwelt im Altertum, Teil 1: Griechen und Perser, herausgegeben von Hermann Bengtson. Frankfurt am Main 1993.
 Fraser, Peter M.: Ptolemaic Alexandria. 3 Bände. Oxford 1972.
 Gehrke, Hans-Joachim: Geschichte des Hellenismus. München 21995.
 Gehrke, Hans-Joachim: Jenseits von Athen und Sparta. Das dritte Griechenland und seine Staatenwelt. München 1986.
 
Griechische Papyri aus Ägypten als Zeugnisse des öffentlichen und privaten Lebens. Griechisch-deutsch. Festschrift für Hans Julius Wolff zum 75. Geburstag am 27. August 1977, herausgegeben von Joachim Hengstl. München 1978.
 Hengel, Martin: Juden, Griechen und Barbaren. Aspekte der Hellenisierung des Judentums in vorchristlicher Zeit. Stuttgart 1976.
 Pausanias: Reisen in Griechenland. Auf Grund der kommentierten Übersetzung von Ernst Meyer herausgegeben von Felix Eckstein. 3 Bände. Neuausgabe Zürich u. a. 1986-89.
 
Das ptolemäische Ägypten. Akten des internationalen Symposions 27.-29. September 1976 in Berlin, herausgegeben von Herwig Maehler u. a. Mainz 1978.
 Radt, Wolfgang: Pergamon. Geschichte und Bauten, Funde und Erforschung einer antiken Metropole. Köln 1988.
 Schneider, Carl: Kulturgeschichte des Hellenismus. 2 Bände. München 1967-69.
 Schuller, Wolfgang: Griechische Geschichte. München 41995.
 Seibert, Jakob: Das Zeitalter der Diadochen. Darmstadt 1983.
 Tarn, William W.: Die Kultur der hellenistischen Welt. Aus dem Englischen. Darmstadt 1966. 3Nachdruck Darmstadt 1972.
 Weiler, Ingomar: Griechische Geschichte. Einführung, Quellenkunde, Bibliographie. Darmstadt 21988.

Universal-Lexikon. 2012.

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